Tomahawk - Audioplayer der Zukunft
Musikplayer-Software gibt es wie Sand am Meer. Musikdienste im Web auch, und gefühlt täglich kommen neue hinzu, zuletzt sorgten Google Music Beta und iTunes Match für Aufsehen. Bei den Playern stagniert die Entwicklung seit längerem. Fast alle können die lokale Musiksammlung abspielen, andere streamen Musik aus dem Netz, manche können auch beides. Die gespielten Tracks können zu last.fm gescrobbelt werden, Lyrics und Künstlerinfos werden aus dem Netz geladen und MP3s automatisch getaggt und mit Coverbildchen versehen. Das ist nun seit einiger Zeit schon state of the art, was die Verbandelung von Playern mit Web-Services angeht.
Ein neuer Stern am Himmel
Auftritt: Tomahawk. Der Tomahawk-Player bringt einige sehr aktuelle und zukunftsweisende Fähigkeiten mit. So ist es ihm relativ gleich, wo genau ein digitales Musikfile liegt. Er spielt es mit stoischer Neutralität ab. Anbieter wie Soundcloud, Spotify, YouTube und viele andere bieten Schnittstellen (APIs) an, über die Entwickler die dort jeweils vorhandene Musik anzapfen können. Tomahawk will das Schweizer Taschenmesser sein, mit dem viele dieser Dienste über eine gemeinsame Oberfläche abgefragt werden können. Ist ein gesuchter Musiktitel bei einem Dienst vorhanden, fängt Tomahawk an, diesen zu streamen und abzuspielen.
Zu diesem Zweck nutzt Tomahawk so genannte Resolver. Das sind Miniprogramme, die sich einfach wie Plugins hinzufügen lassen. Die Resolver kümmern sich im Hintergrund um den Login bei Spotify, um die Suche nach Titeln bei YouTube, last.fm oder bei Soundcloud. Da alle Resolver ähnlich funktionieren, sind sie für Programmierer relativ einfach zu entwickeln, so dass in Kürze mit Resolvern für viele Musikplattformen zu rechnen ist, wenn sich das Projekt weiter gut entwickelt.

Sozial Musik hören
Wer viel in Sozialen Netzwerken oder Musik-Communities unterwegs ist, hat dort auch jede Menge mehr oder weniger enge Freunde. Über das Jabber-Protokoll (XMPP), das auch Google Talk verwendet, lassen sich Freunde zur Seitenleiste von Tomahawk hinzufügen. Voraussetzung: Die Freunde sind mit Tomahawk online. Dann kann ich auch die Musiksammlung meiner Freunde durchforsten und Musik direkt von ihnen streamen, genau so als wäre ich bei ihnen zu Gast. Nur funktioniert das jetzt auch übers Internet. Die Titel landen aber nicht auf meiner Festplatte, denn eine Tauschbörse à la Kazaa möchte Tomahawk nicht sein. Ebenso sind diese Songs nicht verfügbar, wenn der Freund seinen Computer ausschaltet.
Aktuell sorgen Musik-Clouds für Furore: Google Music Beta, das bisher nur in den USA verfügbar ist, bietet an, dass ein Benutzer seine gesamte Musiksammlung in Googles Cloud hochladen und damit überall anhören kann - Internetzugang vorausgesetzt. Ganz ähnlich verspricht Apples iCloud seinen Nutzern, die eigene Musik überall und auf jedem (Apple-)Gerät anhören zu können. Bei Spotify und Simfy hingegen können Fans ihre Lieblingsmusik aus einem großen Musikpool streamen.
Tomahawk dagegen funktioniert dezentral und speichert überhaupt keine Musik selbst, sondern ist sozusagen der Knotenpunkt, an dem alle anderen Dienste zusammenlaufen können. Auch die Festplatte des heimischen Rechners stellt für Tomahawk nur eine weitere Datenquelle unter vielen dar - wenn auch die wichtigste. Dieses Konzept der vielen anzapfbaren Musikpools ist das eigentlich Neue an der Technologie dahinter, die ursprünglich von Playdar entwickelt wurde.
Aus dem Browser in den Player
Playdar wurde als Basis für Drittanwendungen entworfen, und auch für Tomahawk gibt es bereits ein kleines Ökosystem an Zusatzapps. Mit dem Tomahawklet beispielsweise lassen sich Songs und Playlisten auf bestimmten Seiten automatisch erkennen und an den Tomahawk-Player weiterleiten. Global Playlist ist ein Dienst, der Playlisten aus verschiedenen Musikdiensten auslesen und in ein für Tomahawk lesbares Format umwandeln kann. Nach und nach wächst das Ökosystem, und weitere Apps werden hinzukommen.
Playlisten und Stationen können aber auch in Tomahawk selbst erstellt werden. Genial funktioniert das über die Anbindung an den Musikempfehlungsdienst The Echo Nest. Dieser kann nicht einfach nur weitere Musik empfehlen, die etwa einem Künstler ähnlich ist, sondern erlaubt auch das Filtern nach Tempo, Songlänge, ja sogar Tonart und Tongeschlecht (Dur/Moll). Das funktioniert erstaunlich gut und kann sogar während des Abspielens angepasst werden. Werden die chilligen Downtempo-Nummern zu langweilig - einfach das Tempo hochschrauben.

Selbst ausprobieren
Natürlich setzt auch Tomahawk ein stabile Internetverbindung voraus, wenn nicht nur die Musikbibliothek auf dem eigenen Rechner gespielt werden soll. Diese ist aber zumindest beim Desktop-Computer in der Regel vorhanden. Eine Version für mobile Endgeräte ist natürlich genauso denkbar, hier stellt das Datennetz aber noch einen Engpass dar. Seit ihrem Erscheinen läuft die Beta-Version 0.1 von Tomahawk bei mir ziemlich stabil, und auch die meisten Resolver hinterließen einen guten Eindruck. Für Linux, Windows und Mac gibt's Version 0.1 mit dem Spitznamen "Timmey" hier zum Download; Linux-Nutzer können aber auch selbst Hand anlegen und finden hier eine ausführliche Anleitung (für Ubuntu 11.04; Disclaimer: die ist von mir).
Die Bedienung des Player erschließt sich nur teilweise auf den ersten Blick, denn viele Herangehensweisen sind einfach anders als gewohnt. Eine Dokumentation ist geplant, aber in der Betaphase können sich noch einige Features ändern. Daher ist spielerisches Ausprobieren gefragt. Und schaut euch einfach mal ein bisschen auf der Player-Webseite um.
Wer noch keine Freunde hat, die Tomahawk bereits installiert haben, darf mir gern eine Freundschaftsanfrage schicken, meine Jabber-ID steht auf der Kontaktseite (und ja, ich weiß, die Seite wird nicht korrekt angezeigt). Ich bin zwar nicht rund um die Uhr online, aber mit etwas Glück könnte es klappen. Erwartet aber bitte nicht zu viel von der kleinen Sammlung, die ich auf meinem Rechner liegen habe

Kommentare
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pullipresidente am :
domme am :
Matthias Gutjahr am :
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Ey Lou am :
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Matthias Gutjahr am :